Mein Schwiegervater war schweigsamer als sonst, während er uns zum Bahnhof brachte. Ich denke, die letzte Reise verstand er noch als verspätete Hochzeitsreise. Der Sinn und Zweck einer Wiederholung erschloss sich ihm wohl nicht. Er hatte den Niederrhein als Heimat gewählt und Auslandsreisen jahrelang konsequent vermieden; ich verstehe und akzeptiere das. Am Bahnhof trafen wir unsere Trainingskameradin und ihren Ehemann im Nieselregen und gedämpfter Stimmung an. Seine Unterstützung und das Angebot, die gemeinsamen Kinder zu betreuen, hat ihre Reise möglich gemacht; so wurde auch er Teil unserer Geschichte. Von Grevenbroich über Köln, die Rheinstrecke entlang, näherten wir uns Frankfurt Airport. Schöne Landschaften mit runden Hügeln und dem Rhein im Hochwasser zogen an uns vorbei; der Blick auf alte Weingüter und schroffe Felsen ließ die Frage aufkommen, warum wir den Blick so weit nach Osten gewendet hatten ? nicht aber die Antwort.
Der Frankfurter Flughafenbahnhof ließ unsere Erregung steigen: die Zeitreise durch vergangene Jahrhunderte endete in modernen Bahnhofsanlagen, chromblitzend und granitschwer. Aus dem gläsernen Aufzug heraus hatten wir unseren chinesischen Freund erblickt, Neurologe und Kampfkünstler von hohen Gnaden. Seine Frau begleitete ihn zum ersten Male, und ich konnte mein Bild von seiner Familie komplettieren; ihre Zurückhaltung glich sie durch Herzenswärme aus, die uns im Verlauf der Reise noch wertvoll und wichtig werden sollte. Seine beiden Söhne hatte ich im letzten Jahr kennen gelernt und ihre Fürsorge für den Vater bewundert. Beide sind ausgebildete Kampfkünstler und schließen die große Lücke zwischen chinesischem und europäischem Standard in der Kampfkunst. Sie schauten auf Vaters Land mit Neugier und Verständnis, nicht unkritisch, aber verzeihend. Diese Familie verließ ich reicher, als ich kam.
Profan waren unsere Wünsche, nachdem wir einen Teil der Reisegruppe vor dem Check-In-Schalter identifizierten: Schnell einzuchecken und ohne Gepäck den Weg zum Restaurant zu suchen; schließlich wollten wir uns aufeinander einstimmen und zum Bier den einen oder anderen Toast ausbringen. Vor den Erfolg aber hatten die Götter TV gestellt ? in Gestalt eines Fernsehteams, dass die ersten Vorbereitungen unserer jugendlichen Begleiter filmte und nun einen möglichst ungestörten Blick auf die Schlange der wartenden Reisenden verlangte. Konsequenz und Desinteresse an medialer Aufmerksamkeit ließ uns zunächst obsiegen; Phyrrus lässt grüßen. So blieben uns etwa zwei Stunden, um Lammrücken an Basilikum, westfälisches Pilsener und den Ausblick auf startende Maschinen zu genießen. Was wir taten.
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